Im April trifft sich in Berlin die Digital-Health-Szene zu ihrem jährlichen Gipfeltreffen. Es sind günstige Zeiten für ein wenig Digitalisierungsoptimismus im Gesundheitswesen. Man muss kein besonderer Fan des derzeitigen Bundesgesundheitsministers sein, um ihm zuzugestehen, dass er zumindest bei der digitalisierungsbezogenen Gesetzgebung den Schwung des Vorgängers nicht nur aufgenommen, sondern – nachdem er anfangs viel zu zögerlich war – noch einmal verstärkt hat. Er sollte jetzt allerdings nicht nachlassen. Warum sich zum Beispiel die wichtige Weiterentwicklung der Rechtsverordnung zur Interoperabilität („GIGV“), die im Digital-Gesetz angelegt ist, bis Herbst Zeit lassen muss, erschließt sich, glaube ich, niemandem.
Tschüss, Nische!
Einer meiner Interviewpartner in diesem Heft hat gesagt, dass digitale Tools im deutschen Gesundheitswesen zurzeit aus einer Nische in die breite Versorgung drängen. Das ist so, und es wird Veränderungen in der ambulanten Versorgungslandschaft vielleicht nicht verursachen, aber katalysieren. Dafür wird es allerhöchste Zeit.
Im stationären Sektor bleibt die Krankenhausreform die große Unbekannte. Aber wenn es dort irgendwann zu einer stärkeren Zentralisierung kommt, und danach sieht es ja aus, dann erreichen wir auch dort einen Punkt, an dem Digitalisierung und strukturelle Modernisierung sich gegenseitig Vorschub leisten. Ein bisschen Vorsicht ist bei der Reform der Notfallversorgung geboten. Hier sollte vor lauter Telenotarzt-Begeisterung nicht vergessen werden, dass am Ende die Qualität des Personals vor Ort über Leben und Tod entscheidet. Daran wird sich durch Digitalisierung nichts ändern.
Mitmachen ist jetzt angesagt, es gibt Gestaltungsspielräume. Die DMEA ist dafür ein guter Ausgangspunkt: Sie hat den starken Krankenhausfokus hinter sich gelassen, hat sich der Versorgung in der ganzen Breite geöffnet, ist internationaler geworden. Gute Voraussetzungen für drei spannende Tage – und für produktive Wochen und Monate danach.
Autor:
Philipp Grätzel von Grätz
Chefredakteur E-HEALTH-COM