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Forschung |

Universität und Universitätsklinikum Tübingen gründen Zentrum für Personalisierte Medizin

Die Medizinische Fakultät der Universität und das Universitätsklinikum Tübingen haben ein Zentrum für Personalisierte Medizin (ZPM) gegründet. Ziel des neuen Zentrums ist es, Tübingen als einen der bundesweit führenden Standorte bei der Erforschung individueller Krankheitsursachen sowie der Entwicklung und Erprobung individualisierter Therapien zu etablieren. Am ZPM sind insgesamt 23 Abteilungen, Forschungszentren, Institute und Kliniken beteiligt. Die Gründung des Zentrums wurde in den vergangenen Monaten maßgeblich über die Plattform „Klinische Forschung“ vorangetrieben, die Teil des Zukunftskonzepts der Universität im Rahmen der Exzellenzinitiative ist.


„Hinter der Bezeichnung Krebs verbergen sich Hunderte verschiedener Erkrankungen“, sagte der Dekan der Medizinischen Fakultät, Professor Ingo Autenrieth. „Faktisch können Wissenschaftler innerhalb einer Krebsart noch viel weiter differenzieren und spezifische genetische oder molekularbiologische Daten eines Tumors erfassen.“ Individuelle Besonderheiten finden sich auch bei Patienten mit Herz-, Stoffwechsel- oder Autoimmunerkrankungen. Von der Nutzung dieses Wissens über jede einzelne Erkrankung versprechen sich Wissenschaftler und Ärzte große Verbesserungen in der Therapie. Vorrangig sollen am ZPM Therapien für Erkrankungen entwickelt werden, bei denen bisher keine oder nicht ausreichend wirksame Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. 


„Personalisierte oder individualisierte Medizin basiert auf der Überzeugung, dass nur das genaue Verständnis der Ursachen einer Krankheit zu einer ursächlich wirksamen Therapie führen kann“, sagte Professor Nisar Malek als Sprecher der Forschungsplattform. „Vor allem bei Erkrankungen mit vielfältigen Ursachen sind komplexe Analysen notwendig.“ Um zu neuen, individualisierten Therapien zu kommen, müsse das Wissen und die Erfahrung aus ganz unterschiedlichen Forschungsschwerpunkten zusammengeführt werden. 


„Diese individualisierte Diagnostik und Therapie ist nicht mehr von einzelnen Kliniken und Instituten zu leisten, weil sie Kompetenzen aus verschiedenen Bereichen erfordern“, sagte der Leitende Ärztliche Direktor der Universitätsklinik Tübingen, Professor Michael Bamberg. Daher seien am Zentrum für Personalisierte Medizin insgesamt 23 Abteilungen, Forschungszentren, Institute und Kliniken beteiligt, darunter die Tübinger Universitätskliniken für Innere Medizin, für Allgemeine, Viszeral- und Transplantationschirurgie, für Neurologie, Radioonkologie, Anästhesiologie und Intensivmedizin, die Universitäts-Hautklinik, die Interfakultären Institute für Zellbiologie, Mikrobiologie und Infektionsmedizin, Biochemie sowie das Zentrum für Quantitative Biologie (QBiC). Das ZPM gliedert sich in fünf Bereiche, die sich mit so genannten Hochdurchsatzverfahren, funktioneller und molekularer Bildgebung, komplexer Diagnostik, Therapieentwicklung und experimenteller Therapie befassen. 


Der Standort Tübingen bietet für die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Zentrum beste Voraussetzungen: Wissenschaftler aus der biomedizinischen Grundlagenforschung wollen mit Kollegen aus der medizinischen Bildgebung, Bioinformatik, der Wirkstoffentwicklung und der klinischen Medizin kooperieren. Bei den genetischen und molekularen Untersuchungen werden vielfach die sogenannten Hochdurchsatzverfahren eingesetzt, bei denen jeweils die Gesamtheit aller Einzelelemente einer Zelle oder eines Organismus erfasst wird, zum Beispiel alle Gene, alle Proteine oder alle Stoffwechselprodukte. Hochdurchsatzverfahren liefern gigantische Datenmengen, bei deren Analyse vor allem das QBiC beteiligt sein wird, das in den vergangenen zwei Jahren ebenfalls mit Mitteln aus der Exzellenzinitiative aufgebaut wurde. Bei den Bildgebungsverfahren soll die hervorragende Geräteausstattung vor allem in der Positronenemissionstomografie (PET) und funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) zum Einsatz kommen. Die Daten aus Analysen und zum Beispiel Tomografieaufnahmen sollen außerdem in einer Biodatenbank strukturiert gesammelt werden, sodass sie zur Klärung neuer Fragestellungen verkettet werden können.


Bei der Entwicklung neuer Wirkstoffe denken die Wissenschaftler in erster Linie an Peptide und Antikörper, die als Vakzine gegen Krebs individuell für jeden Patienten im Tübinger GMP-Zentrum, einem zertifizierten Medizinlabor („Good Manufacturing Practice“) hergestellt werden können. Ein weiterer Schwerpunkt soll auf dem „Drug Repositioning“ liegen, der Erweiterung des Anwendungsspektrums bereits zugelassener Medikamente. Im klinisch-translationalen Bereich steht die schnelle Umsetzung von Forschungsergebnissen in die Diagnostik und Therapie im Vordergrund. So sollen Patienten möglichst zeitnah von innovativen Entwicklungen profitieren. Die Forscher wollen im ZPM selbst auch Fragen zum Datenschutz und der Patientenaufklärung behandeln sowie die Verhandlungen mit den Krankenkassen unterstützen, wenn es um die Kostenübernahme bei neuen Routineverfahren geht. 

 

Quelle: idw