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Forschung |

Leukämieforschung: Der Computer als Hilfsarzt

Copyright: TU Wien

Um zu beurteilen, wie leukämiekranke Kinder medizinisch behandelt werden sollen, ist viel Erfahrung nötig. Ein internationales Konsortium entwickelt nun ein Computertool, das bei dieser schwierigen Entscheidung hilft.

 

Die Medizin macht enorme Fortschritte: Über 90% der Kinder und Jugendlichen, die heute an Leukämie erkranken, können in Europa mittlerweile geheilt werden. Das liegt nicht zuletzt daran, dass in den vergangenen Jahrzehnten viele neue Erkenntnisse gewonnen werden konnten und Chemotherapien heute immer besser individuell angepasst werden können. Doch um zu entscheiden, welche Behandlungsvariante im einzelnen Fall die erfolgversprechendste ist, braucht man langjährige ärztliche und laborpraktische Erfahrung – und die ist nicht überall verfügbar. 


In einem EU-Projekt mit Beteiligung der St. Anna Kinderkrebsforschung & und Labdia Labordiagnostik in Wien und der TU Wien wird ärztlicher Erfahrungsschatz nun in Computerprogrammen abgebildet. Auf Basis der umfangreichen Laborbefundsammlung der St. Anna Kinderkrebsforschung & Labdia Labordiagnostik bringt man Computerprogrammen bei, dem ärztlichen Personal mit wichtigen Hinweisen aus dem Labor zur Seite zu stehen. So sollen in Zukunft viel mehr Kinder auf die genau richtige Weise behandelt werden können – auch in Regionen, in denen es an labortechnischer Erfahrung und Ausstattung mangelt.

 

Die Entscheidung fällt am Tag 15
„Bei Leukämie gibt es nicht die eine Standardbehandlung, die für alle passt“, erklärt Michael Dworzak, Kinderarzt und Onkologe in der St. Anna Kinderkrebsforschung. „Am Tag 15 der Behandlung nimmt man erneut Knochenmarkproben, um zu entscheiden, ob die Chemotherapie verstärkt oder abgeschwächt werden muss.“


Die Knochenmarkprobe wird dabei mittels Durchflusszytometrie untersucht, einer etablierten Testmethode, mit der sich die einzelnen Blutzellen auf viele unterschiedliche Parameter hin untersuchen lassen. Man kann maßgeschneiderte Antikörper verwenden, die mit einem fluoreszierenden Molekül markiert an ganz bestimmte Zellen andocken. So lassen sich Gruppen von Zellen kennzeichnen und quantifizieren, die für die Diagnose relevant sind, wie zum Beispiel noch vorhandene Leukämiezellen.


Die vielen Daten, die mit dieser Methode gesammelt werden, sind allerdings nicht einfach zu interpretieren. „Dafür braucht man viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl“, sagt Michael Reiter, von der TUW und 2014 Fellow bei Labdia. „Außerdem verwendet nicht jedes Krankenhaus die gleichen Messgeräte, daher ist es schwierig, die Werte zu vergleichen und standardisierte Vorgaben zu machen.“


Der Computer lernt von selbst

Am Computer können die Ergebnisse unterschiedlicher Geräte normiert und damit vergleichbar gemacht werden. Mit Hilfe der umfangreichen Datenbanken, die an der St. Anna Kinderkrebsforschung & Labdia Labordiagnostik in Wien vorliegen, kann man Computerprogramme dann darauf trainieren, selbstständig und ohne das Zutun von erfahrenen Spezialisten aus den Messungen von Durchflusszytometern die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen, die für die Planung der weiteren medizinischen Behandlung erforderlich sind. „Auf dem Gebiet des maschinellen Lernens gibt es unterschiedliche Ansätze, die wir verfolgen“, sagt Florian Kleber, Fellow bei Labdia). „Man muss dem Computer keine starre Regel vorgeben, man kann Programme auch durch Training lernen lassen, ähnlich wie wir Menschen das tun.“


Das auf vier Jahre angelegte Projekt läuft seit Februar 2014 und die Programmcodes liefern bereits Ergebnisse von beeindruckender Qualität. „Wir wollen die Arbeit von Ärztinnen und Ärzten nicht ersetzen, aber wir können Fachspezialisten objektivierbare Hinweise zur Verfügung stellen“, sagt Melanie Gau, Managerin des Forschungsprojekts.


Marie-Curie-Projekt, gefördert von der EU

Das Marie-Curie-Forschungsprojekt, das von der EU gefördert wird, hat einen ganz besonders internationalen und interdisziplinären Charakter. „Mit dem Marie-Curie-Programm werden Academia und Wirtschaft zueinander geführt, und es wird Wert darauf gelegt, dass SpezialistInnen aus unterschiedlichen Ländern und unterschiedlichen Fachrichtung an einem Ort zusammengebracht werden“, sagt Projektleiter Martin Kampel (TU Wien). Von der Informatik über die Labortechnik bis zur Medizin müssen in der Leukämie-Forschung ganz unterschiedliche Fachbereiche vereint werden. Beteiligt sind neben dem Computer Vision Lab der TU Wien als Koordinator die Berliner Charité und die Firmen CogVis, Infokom und Labdia Labordiagnostik (St. Anna Kinderkrebsforschung).